KONTRASTE – KLANGGESTE

Eine besondere Zusammenkunft

 

Mit Kontraste – Klanggeste hat Art-Impressario Thaddäus Heil eine besondere Konstellation ermöglicht: Eine Koproduktion zwischen dem Eurythmeum Stuttgart und dem Musikkollegium Winterthur. Carina Schmidt, Benedikt Zweifel als Choreografen und Ruben Dubrrowsky als Dirigent, gaben den Kurs zu einer nicht ganz alltäglichen Reise. Ein Rückblick aus dem Ensemble.

 

Mitte September, saßen wir zusammen, voller Erwartung: vorwiegend junge Eurythmisten, frisch aus einem Jahr intensiver Märchenensem- ble-Arbeit entlassen, die sog. Junge Bühne, das Else-Klink-Ensemble und die „Zuzügler“, junge Eurythmisten, die bereits an Waldorfschu- len unterrichteten. Eine bunte Gruppe!

 

Wir hatten uns nicht wenig vorgenommen! Kontraste versprach seinem Namen gerecht zu werden: Von Schuberts „Tragischer Sinfonie“ über Wagners „Lohengrin-Ouverture“ zu dem zeitgenössischen Strasnoy „ Y “ aus dem Zyklus Sum N° 2, mit Webern und seinen 5 Sätzen Op.5 für Streichorchester, und schließlich Wagners Vorspiel zu Lohengrin 3.Akt. Es konnte schon bei der bloßen Vorstellung ein wenig schwindelig werden! Eigentlich war es, als ob wir ein Schiff bestiegen, mit zwei Kapitänen Steuerbord und einer Fracht, die zwar vorbestimmt war, die sich aber erst im Laufe der Reise konstituieren würde, durch das Mitwirken eines jeden Einzelnen von uns. Und dies in äußerst knapper Zeit! Zugegeben, es war uns ein wenig bange!

 

Zwischen Webern und Wagner liegen Welten und die Herausforderungen waren entsprechend. Und es ruhten auf uns zwei Augenpaare: Polarität und Steigerung? Die haben wir zu spüren bekommen! Dabei waren auch die Vorgehensweisen kontrastreich. „ Das ist ja Therapie!“ entfuhr es einer Kollegin während der einführenden Arbeit zum 1. Satz von Schuberts 4. Symphonie. Zur gleichen Zeit - wir wussten nicht wie uns geschah - hatten uns eurythmische Silberwellen „rein aus dem Musikalischen gegriffen“ schon fast durch den kompletten 4.Satz getragen!

 

Unendlich bereichernd schließlich das Zusammentreffen mit dem Dirigenten Ruben Dubrowsky. Durch ihn wurde der musikalische Gestus so lebendig, dass unsere Bewegungen an innerer Notwendigkeit gewannen und so manche Zufälligkeit bewusst und verwandelt werden konnte. Und schließlich die stille Gewissheit sich gegenseitig dafür hinzugeben, ja innerlich wie zurückzutreten - der Eurythmist und der Musiker- um diesem „Atemwesen Eurythmie“ Raum zu verleihen und durch die gefühlte Bewegung hindurch, das Musikalische in die Sichtbarkeit zu rufen.

 

Die Moderne! Harmonische Unversehrtheit, wie sie Schuberts „Tragische Sinfonie“ durch alle Modulationen hindurch schenkt und sie Wagner urbildhaft in der „Lohengrin-Ouvertüre“ als Schöpfungsprinzip musikalisch transzendiert, ist bei Webern Geschichte! Wenn Sie bruchstückhaft in Strasnoy’s „Y “ mit einem Motiv aus Schumanns Fantasiestück „ Warum“ musikalischen Fata Morganen gleich anklingt, verstärkt sie nur das Gegenteil. Da ist Schmerz!, Mehr denn je hat hier künstlerisch nur Bestand, was innerlich erlebt wird - das Individuum scheint auf sich selbst zurückgeworfen: Aus einer tastenden, suchenden Gebärde will die Beziehung von Punkt und Umkreis, Mensch und Welt, wiedergewonnen werden; ein zartes Erahnen dessen, was sich - durch tiefes Leid hindurch - aus der Mitte heraus neu zur Geste gebiert.

 

Metamorphose? Was für ein Wunder, dass Gewohnheits-Bewegungen hinterfragt wurden, vieles buchstäblich in Bewegung kam - nicht nur künstlerisch sondern auch existenziell! Gekrönt wurde dieser, zum Teil auch recht dornenreiche Weg, mit der Wahrnehmung des Anderen: Die Gruppen um den jeweiligen Choreografen zeigten einander nach jeder Woche die Früchte ihrer eurythmischen Arbeit.

 

Das Vertrauen, das sich beide Choreographen einander schenken, das stille Bejahen und Wertschätzen des anderen Tun, bis hin zum gemeinsamen künstlerischen Gestalten, hat das Ensemble und das ganze Projekt getragen und geprägt. So wie auch ein neuer, freier Blick schlummernde Fähigkeiten hervorzuzaubern vermochte. Dieses offenbare Geheimnis im Zwischenmenschlichen wie im Künstlerischen, gab und gibt dieser Produktion eine besondere Note - eine äußerst kostbare!

 

Strasnoy unterlegt und endet bezeichnender Weise sein Werk mit einer Frage nach etwas, was sich vielleicht da erschließen kann, wo das Gesamtkunstwerk als Schöpfung aller Beteiligten zu erfahren ist: Generiert durch Musiker und Eurythmisten und nicht zuletzt durch die stille, aber aktive Instanz des Publikums, mag wie aus der Gischt der Kontraste geboren werden - wenn auch vielleicht nur für Augenblicke – ein Bild tiefer Menschlichkeit.

Antonia Neveu

 

Presse :  Klanggeste Musik Eurythmie